“Du wirst es nie zu etwas bringen!” Waren nicht gerade die aufbauendsten Worte, eines Vaters, die ein Sohn während seines Erwachsenwerdens hören wollte, oder? Vor allem dann nicht, wenn man versuchte sein Leben irgendwie möglichst selbständig auf die Reihe zu bringen, aber an den ein oder anderen Stolpersteinen scheiterte. Dass Fehler menschlich sind und so gut wie jeder welche machte, wurde immer gerne außen vor gelassen. Vor allem von einem Mann, der sehr viel erreicht hatte und in seinem Ruhestand dann noch auf die Idee kam, sich eine junge Frau zu suchen und mit ihr drei Kinder zu zeugen. So war Joe's Vater bereits in einem hohen Alter, als er zum ersten Mal Vater wurde. Was an sich kein Problem sein sollte, war da nicht der Fakt, dass es sich hierbei um einen pensionierten General, eines Marine Corps handelte. Viel Liebe, Zuwendung und Freundlichkeit konnten der junge Spross und seine jüngeren Brüder also nicht von ihm erwarten, denn der Druck war bereits im Säuglingsalter schon enorm groß, in keinster Weise zu versagen. Der einzige Lichtblick in seiner Kindheit waren Joe's Geschwister, seine Großeltern und seine Mutter. Wenn der Vater gerade nicht hinsah, gab sie den Jungen die nötige Zuneigung und baute sie wieder auf. Natürlich hätte sie ihn verlassen können und die Jungs mitnehmen, doch das war weder ihre Art, noch möglich. War die junge Frau mit Migrationshintergrund ja nur geduldet in diesem Land und so durch ihre Ehe mit dem Ex-Marine abgesichert und gebunden. Was blieb ihr dann also anderes übrig, als zu bleiben?
Wilson, so hieß der ehemalige General, war ein Trinker. Er hatte mal gute Phasen, mal schlechtere. Überwiegend ließ er die Schlechten an seinen Söhnen aus, aber auch seine Frau musste hin und wieder daran glauben. Liebe war da schon lange keine mehr gewesen, ging er ja auch zu keiner Therapie. Weder für die Psyche, noch gegen die Sucht, denn sowas brauchte er seiner Meinung nach nicht.
Als Joe mit der Highschool fertig war, stand von vornherein fest, dass er nicht auf ein College gehen würde, sondern gleich seine Ausbildung bei der Army antreten, um wie sein Vater und dessen Vater zuvor, den Marines beizutreten. So verließ er also mit knapp 18 Jahren bereits das Haus und kam nur noch zu vereinzelten Besuchen nach Hause. Es war nie sein Wunsch gewesen, diesen Weg zu gehen, doch ihm blieb auch nicht viel Wahl oder freier Wille. Nach seiner Ausbildung, verpflichtete er sich dennoch für vier Jahre, denn das war immer noch besser, als wieder nach Hause zu müssen, um seinem Vater als Fußabtreter zu dienen. Davon hatte er nämlich inzwischen die Nase gestrichen voll. Viele seiner Kameraden fragten sich eh, warum er noch immer nach dessen Pfeife tanzte, doch das hatte einen ganz einfachen Grund. Solange Joe tat, was sein Dad von ihm verlangte, ging es seiner Mutter und auch seinen Brüdern halbwegs gut und sein alter Herr war milder gestimmt. Dass Joe aber nicht besonders hoch in den Rängen seiner Einheit stieg, war seinem Vater jedoch ein Dorn im Auge. Er konnte absolut nicht verstehen, warum der Junge keine Ambitionen hatte. Für ihn glich dies einem Versagen und kratzte stark am Selbstwertgefühl des jungen Mannes, der sich mehr und mehr gegen das alles sträubte, je älter er wurde. Da kam es ihm nur mehr als gelegen, dass Wilson eines Tages an einem plötzlichen Herzinfarkt verstarb und Joe somit wieder nach Hause zurückkehren konnte und auch wollte. Wenn auch vorerst nur auf Heimaturlaub, denn sein Dienst im Ausland war noch nicht vorbei. Dies war auch eine Zeit, wo er es richtig krachen und nichts anbrennen ließ. Und so traf er auch auf Jess Sullivan, die noch eine wichtige Rolle in seinem Leben spielen sollte.
Den Vater als Vorbild gehabt und viel zu verarbeiten durch Kindheit und den Einsätzen im Ausland, die nicht gerade leicht für einen jungen Mann zu verkraften waren, trank er ziemlich viel und fand sich in so einigen Betten wieder. Dabei dachte er nicht immer an Verhütung und war der Meinung, dass das schon alles gut gehen würde und die Mädchen sich darum kümmern würden. So war das auch bei Jess. Sie kannten sich mehr oder weniger nur flüchtig und auf einer Party, ein paar Tage bevor er wieder los musste, lernten sie sich kennen und landeten auch gleich in der Kiste. Das es ein unvergesslicher Abend für ihn werden würde und das trotz jeder Menge Alkohol, der floss in dieser Nacht, würde er erst viel später erfahren. So trennten sich ihre Wege wieder und alles, was dem jeweiligen blieb, war lediglich ein Name und verblasste Erinnerungen an die Gesichter. Dann war er wieder fort und das für längere Zeit.
Nachdem sein Dienst dann endlich endete und er diesen auch nicht verlängerte, fragte er sich, was er nun mit seinem Leben anfangen sollte. Jetzt noch auf’s College zu gehen, war eine schwachsinnige Idee, wie er fand und außerdem waren auch die finanziellen Mittel nicht wirklich da gewesen. Seine Mutter bekam zwar etwas Rente von seinem verstorbenen Vater, aber viel war es auch nicht. Sodass sogar Joe ihr oft noch Geld schickte, damit sie das kleine Haus am See in Boulder City erhalten konnte, welches einmal ihm gehören sollte und in welches er auch wieder zog, als er zurückkam. Dann erfuhr er von einem Programm, das es Veteranen ermöglichte, sich für den Polizeidienst zu melden. Nach einer verkürzten Ausbildung, durch seine vorangegangene Militärzeit, kam er ziemlich bald zu einer Anstellung im LVMPD, wo er sich dann auch gleich recht wohl fühlte, denn endlich konnte er etwas Gutes tun und nicht nur “dem Land dienen”. Er war einer der guten Cops, an die man sich gerne wandte, die offen mit zivilen Personen sprachen, aber dennoch auch Gewalt anwenden konnten, wo es eben notwendig war. Sein Selbstwertgefühl nahm zu und aus ihm wurde doch noch ein ganz ordentlicher Kerl, wenn auch hin und wieder etwas zurückgezogen und brummig, wie ihn seine Kollegen gerne nannten.
Es vergingen einige Jahre, als Joe eines Tages zu einem Unfall gerufen wurde. Die Straße musste abgesperrt werden, der Unfall selbst Protokolliert werden und er erinnert sich noch heute gut daran, als er der verletzten Frau, die vor ihm lag ins Gesicht sah und wusste, dass er nicht einmal ihre Papiere durchsehen musste, um sagen zu können, wer sie war - Jess Sullivan. Es heißt ja oft, dass man sich immer zweimal im Leben sieht, doch das war das letzte Mal, dass er noch einmal ein Wort mit ihr wechseln sollte. Denn Jess war schwer verletzt worden bei dem Unfall und versuchte dem Mann, an dessen Gesicht sie sich wohl noch erinnerte, etwas Wichtiges zu sagen. Doch er verstand nicht, hielt es für wirres Gerede und so sprach er ihr einfach nur gut zu, bis man sie in den Krankenwagen brachte, in dem sie nur wenige Minuten später verstarb, während Joe keine Ahnung davon hatte, welche wichtige Information sie ihm eigentlich hatte mitteilen wollen. Denn sie war damals von ihm schwanger geworden, sein Vater hatte sie jedoch abblitzen lassen und ihr gesagt, dass sie sich sprichwörtlich zum Teufel scheren sollte. Dass Joe nicht da wäre und so schnell auch nicht zurückkommen würde und schon gar nicht für ein uneheliches Kind aufkommen würde, was so eben gar nicht stimmte. Denn es war klar, hätte er es gewusst, er hätte alles für Jess und dieses Kind getan. Diese Chance blieb ihm jedoch verwehrt.
Auf dem Revier sagte man ihm, dass sie zur Schule fahren sollten, denn das Unfallopfer, die verstorbene Frau, hätte wohl ein neunjähriges Kind, welches über den Verbleib ihrer Mutter natürlich informiert werden musste. Joe’s Herz schien förmlich stehen zu bleiben, als er das Kind sah und das Alter erfuhr, denn vor etwas mehr als neun Jahren hatte er damals Jess kennengelernt gehabt und auch wenn sie sich auf ihn eingelassen hatte an diesem Abend, hatte sie nicht so gewirkt, als würde sie das ständig tun. Etwas, das natürlich Fragen in ihm wach rüttelte. Konnte es sein, dass das Mädchen dort seine Tochter war? Er meinte Ähnlichkeiten zu sich zu erkennen, doch sicher war er sich nicht. Was jedoch feststand war, dass er keine Chance hatte, die Kleine zu sich zu nehmen. So kam sie erst ins Heim und dann zu Pflegeeltern, wo er sie gut aufgehoben wähnte und sich keine allzu großen Gedanken mehr darum machte. Sicher fragte er sich oft, was aus ihr geworden war, doch er hatte kaum eine Bindung zu ihr gehabt und wenn er ehrlich war, war er damals auch noch nicht reif genug, um für ein Kind zu sorgen.
Inzwischen hatte sich dies jedoch geändert. Er hatte eine Frau gefunden, war sesshaft geworden, heiratete sie und plante Kinder mit ihr. Doch es sollte lange nicht sein und als es dann doch passierte, kam kurz nach der Geburt die erschütternde Diagnose. Stella, ihr kleines Mädchen litt an Mukoviszidose und man gab ihr trotz guter Behandlungen nur wenig Chancen auf eine lange Lebenserwartung. So starb sie mit nur fünf Jahren an einer Lungenentzündung, die die Ärzte einfach nicht mehr in den Griff bekommen hatten. Diese Tatsache zerstörte das Paar und ihre Ehe restlos, denn sie kamen beide mit ihrer Trauer nicht wirklich zurecht. Ein Kind so lange bei sich zu haben und dann so früh zu verlieren, das hielt die stärkste Liebe und Ehe einfach nicht aus. So trennten sie sich nach einer Weile und ließen sich sogar scheiden. Von da an blieb Joe wieder alleine, hatte zwar hier und da mal eine nette Bekanntschaft oder Affäre, aber die große Liebe hatte er nicht nochmal gefunden. Womit er aber gar nicht gerechnet hatte war, dass er auf seine erste Tochter treffen sollte, die inzwischen bereits erwachsen war und auch so einiges in ihrem Leben durch hatte. Er hatte zwar bereits oft an sie gedacht und überlegt, sie vielleicht doch mal zu suchen, um zu sehen, wie es ihr erging, doch dann hatte er die Gedanken wieder verworfen. Kürzlich wurde er dann noch zum Sheriff von Clark County gewählt, womit nun das gesamte LVMPD unter seiner Leitung steht und wurde von seiner Ex-Frau die Neurochirurgin ist, an der Bandscheibe operiert, nachdem er sich während der Renovierung seines Hauses einen Bandscheibenvorfall zugezogen hatte. Inzwischen hat er sich davon erholt, eine dreiwöchige Reha hinter sich gebracht und kann nun wieder seiner Arbeit als Scheriff nachgehen.